Medienspiegel Langnau Jazz Nights 2015 - page 11

Medienspiegel
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J A Z Z ‘ N ‘ MO R E
Mittwoch
22. Juli 2015
Jahr im Editorial zu den Langnau
Jazz Nights. Das Festival erhielt
einen festen Platz in Anna Trau-
ffers Agenda. Ihre Teilnahme
wurde zur Tradition.
Seit 2001 erst recht: Trauffer,
die im Organisationsteam inzwi-
schen zur Betreuerin der Kurs-
teilnehmer und -leiter avanciert
war, lernte den Jazzgitarristen
undKomponistenPhilipp Schau-
felberger kennen, mit dem sie ei-
ne Familie gründete.
«Ein fiebriges Anstecken»
Auch Anna Trauffer hat die Mu-
sik zu ihrem Beruf gemacht. Das
verdanke sie weniger den Jazz
Nights alsWalter Schmocker. «Er
hat mich angesteckt mit der Be-
geisterung für die Musik», sagt
sie. «Und die Jazz Nights haben
mir bestätigt, dass ein Leben und
ein Umgebensein von Musik das
ist, was mich erfüllt.» Trauffer
hat dann allerdings – auch auf
Anraten vonWalter Schmocker –
vom Jazz zu klassischer Musik
gewechselt.
Trotzdem hilft sie jedes Jahr
wieder, Langnau für ein paar Ta-
ge und Nächte in ein Jazzdorf zu
verwandeln. Denn sie, die inzwi-
schen in Zürich lebt, geniesst das
gemeinsame Engagement in der
«zusammengeschweissten Kern-
gruppe». Und vor allem die wäh-
rend der Jazz Nights herrschen-
de Stimmung auf dem Vieh-
marktplatz: «Dieses kreative
Brodeln ist wie ein fiebriges An-
stecken – gerade für die jungen
Musikerinnen und Musiker, die
zum ersten Mal dabei sind.» Da-
für nimmt Anna Trauffer die
schweisstreibenden Temperatu-
ren im Festival-Office gerne in
Kauf.
Susanne Graf
ln»
schiessen, Schwingen oder Fah-
nenschwingen – die Kinder wa-
ren mit Eifer und Ausdauer da-
bei. Spannend und beliebt waren
natürlich auchdieKurse der Poli-
zei und der Feuerwehr. Im Kurs
Taschenmesserprüfung für Kids
lernten die Teilnehmer neun Re-
geln zum Umgang mit dem Ta-
schenmesser. In der Abteilung
Kulinarik wurde heuer ein neuer
Kurs angeboten: der Besuch beim
Metzger. Vom Fleisch am Stück
bis hin zumWursten – gespannt
machten die Teilnehmer mit und
präsentierten am Schluss ihren
eigenen «Grillschnägg». Beim
Ponyreiten, auf der Eselwande-
rung, im Bienenkurs oder beim
Besuch in der Kleintierpraxis
kamen Tierliebhaberinnen auf
ihre Kosten.
pd
J A Z Z
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FOTO: PEEWEE WINDMÜLLER
R E V I E W
Der Star der diesjährigen Taktlos-Ausgabe
war zweifellos Anthony Braxton. Jungen-
haft dynamisch trat der 70-jährige Univer-
salist mit ”Diamond Curtain Wall” auf, als
wäre die happige, hermetisch wirkende Mu-
sik das Selbstverständlichste der Welt.
Aus seinem immensen, facettenreichen Schaffen
zwischen Jazz und anderen Stilen und zwischen
Komposition und ”f eier” Improvisation spielte das
Quar ett ohne U terbruch eine lange Folge von Epi-
soden m t kammermusikalischem Charakter. Diese
meistert wohl ur jemand angemessen, der/die –
den hohen technischen Level vorausgesetzt – inten-
siv mit Braxton gearbeitet hat. Farbenreichtum
schaffte bereits mal der ständige Wechsel der Inst-
rumente: Braxton zwischen Saxophonen von So-
pranino bis Bariton, Ingrid Laubrock zwischen Te-
nor- u d Sopransax und der Braxton-Intimus Taylor
Ho Bynum zwischen Kornett, Trompete, Flügelhorn
und Posaune. Nur Mary Halvorsen blieb cool hinter
ihrem langen Notenblatt bei der Gitarre. Darein
mischten sich teilweise wallende Klangnebel von
Braxtons Laptop. Diskret winkte Braxton die ver-
schiedenen Teile und Improvisationstypen ein, die
Grenzen zwischen Improvisation, verbalem Konzept
oder Komposition bewusst verwoben. Zwar er-
schienen mit eckigem Jazzrhythmus einzelne hals-
brecherische Unisono-Linien, aber das Geschehen
war weitgehend heterophon und rhythmisch offen.
Braxto hat c die Sounds der Avantgarde re-
cherchiert und setzte sie differenziert und dosiert
ein. Erstaunlich, wie mühelos die vier danach im-
mer wieder zu klar intonierten Tönen zurückkehren
konnten.
Taktlos Festival, 28.5. – 30.5.2015
Ebenso quirlig und üppig wie Braxton agierte der
Soundvirtuose Taylor Ho Bynum, sehr zuverlässig
die Gitarristin Halvorsen und prägnant und mit ech-
ter Affinität zum Leader die Saxophonistin Laub-
rock. In ständig wechselnden Kombinationen ver-
mengten und umspielten sich die Stimmen und
manchmal wa es, als kommunizierten da unbe-
ka nte Lebew sen miteinander. Trotz Anspruchs-
haftigkeit h tt s Ereignis durchaus auch etwas
Einnehmendes.
Improvisation mit der Mentalität eines Komponisten
betreibt auch Alexander Hawkins. Der technisch be-
schlagene englische Pianist, der sich stilistisch in
ganz verschiedenen Gruppen behauptet hat (Brax-
ton, Bennink, Moholo, Mulatu Astatke etc.), spielte
in Zürich solo. Sein Set begann mit der plakativen
Gegenüberstellung eines präparierten Sounds mit
einem melodischen Motiv. Während der Repetitio-
nen und allmählichen Abwandlungen kam ein drit-
tes Motiv dazu. Die selektive Auslotung dieses Ket-
tenprinzips öffnete sich später und wirkte nicht
mehr so bündig. Cecil Taylor-artige Cluster und
Gesten hatten ebenso Platz wie z. B. Bruchstücke
von ”Take The A-Train”. Im späteren Verlauf verliess
H wkins die Bartók-artige Härte, bezog unter-
schwellig verschiedene Quellen ein und näherte sich
besonders der romantisch-impressionistisch be-
einflussten Pianistik von Ellington und Zeitgenos-
sen mit Arpeggios und Trillern. Doch stets mied er
ganze Melodien konsequent, trennte die Phrasen
häufig mit Lücken – und blieb eigenartig distanziert.
Jürg Solothurnmann
Anthony Braxton
FOTO: PEEWEE WINDMÜLLER
25. Langnau Jazz Nights
21. – 25.7.2015
Die ganze New Yorker
Saxophon-Mafia
ZeitRäume Basel – Biennale für Neue
Musik und Architektur 2015
10. – 13.9.2015
Sicher, die Jazz Nights Langnau sind kein Avant-
garde-Festival; wer den allerneuesten Schrei er-
wartet, der kommt in Langnau nicht unbedingt
auf seine Rechnung. Walter Schmocker, der das
Festival vor 25 Jahren ”erfunden” hat und seither
hervorragend programmiert, verfolgt ein anderes
Konzept: Er baut sein Festival um grosse Namen
der New Yorker Midtown-Szene, die man gut und
gern alle paar Jahre wieder hören kann; aber er
bringt sie in immer wieder neuen Besetzungen.
Und wer einige Male als Mitmusiker in Langnau
war, steht sicher irgendwann auch mit seiner ei-
genen Band auf der Bühne – und bringt so wieder
neue Mitmusiker für die zukünftigen Festivals mit.
So sorgt Schmocker für Kontinuität und Erweite-
rung.
Zu den langjährigen ”Stammspielern” gehören
unter anderem der grossartige 67-jährige Bassist
Dave Holland,
der Saxophonist
Chris Potter
und der Schlagzeuger
Eric Harland;
sie treten
am Freitag gemeinsam im Kulturzentrum Kupfer-
schmiede auf. Dazu gehört auch der Bassist
Scott Colley,
der schon oft in diversen Beset-
zungen in Langnau zu Gast war; er ist am Freitag
mit der jungen kroatisch-amerikanischen Sän-
gerin
Thana Alexa
und am Samstag mit seinem
eigenen Quintett
Transient Universe
zu hören.
Erstmals in Langnau auf der Bühne steht dagegen
am Donnerstag einer, den man aber trotzdem
kaum vorstellen muss: der 55-jährige Saxopho-
nist
Branford Marsalis
(unter anderem mit dem
Pianisten
Joey Calderazzo
). Und schliesslich
am Mittwoch
Joshua Redman,
auch er einer der
grossen Namen der amerikanischen Saxophon-
Mafia, die dieses Jahr in Langnau schon fast
Schlange stehen. In Langnau spielt Redman mit
dem Trio
The Bad Plus
des Pianisten Ethan Iver-
son, das mit seiner frechen Mixtur aus Jazz, Funk,
Rock und Free seit Jahren die sonst eher tradi-
tionell ausgerichtete Piano-Trio-Szene durchein-
anderbringt. (Mittwoch).
Verwirbelte Klänge
Für musikalische Erweiterungen sorgt dagegen
etwa
Snarky Puppy,
ein insgesamt 25-köpfiges,
wildes Musikerkollektiv ursprünglich aus Texas,
dass in immer wieder wechselnden kleineren Be-
setzungen auftritt – in Langnau etwa als Nonett.
Mit ihrer Saftwurzel-Fusion aus Jazz, weissem
Rock und schwarzem R'n'B haben die heute in
Brooklyn lebenden Musiker auf ihrem Weg aus
Musik und Raum zu verknüpfen ist nicht
unbedingt ein neuer Gedanke; es überzeugt
freilich, ihn an einem Ort zu thematisieren,
an dem beides eine feste Heimstatt hat. In
Basel ist das der Fall: Es ist nicht nur ei-
ne Architekturmetropole, sondern verfügt
dank des Mäzens Paul Sacher auch über
eine reiche Tradition im Umgang mit zeit-
genössischer Musik. So kommt es nun im
September zur ersten Ausgabe des Festi-
vals ZeitRäume.
Die Idee dazu stammte vom Komponisten
Beat
Gysin,
der sich in seinen Musiktheaterstücken
immer wieder mit Architektur beschäftigt hat. Im
Saxophonisten
Marcus Weiss
und im Kompo-
nisten
Georg Friedrich Haas
(er unterrichtete
damals noch in Basel und lehrt heute an der
Columbia University in New York) fand er zwei in-
ternational vernetzte Partner, mit denen er zur
Gründung schritt. Alle zwei Jahre, als Biennale
eben, soll das Festival stattfinden. Als Intendanten
konnten die drei
Bernhard Günther
(nicht zu
verwechseln mit dem deutschen Elektronikmusi-
ker Bernhard Günter) gewinnen. Er verantwortet
seit Jahren in der Luxemburger Philharmonie
(einem architektonischen Wurf übrigens!) das
Neue-Musik-Festival ”rainy days” und wird 2016
zu Wien Modern wechseln. Mit dieser Wahl sind
beste Voraussetzungen für ein hochkarätiges in-
ternationales Festival gegeben. Und tatsächlich
verspricht das Programm einiges – soweit es schon
bekannt ist. Das detaillierte Programm erscheint
im Sommer.
Zahlreiche Konzerte an zum Teil ungewöhnlichen
Orten, aber auch Klangspaziergänge in der Stadt
finden statt; Musiker treffen auf Architekten, bil-
dende Künstler und Wissenschaftler; es gibt Vor-
träge und Diskussionen. Das Ganze bildet also
eine sinnvolle Ergänzung zu den Konzerten in der
Gare du Nord und zum bereits seit 26 Jahren
bestehenden Festival im basellandschaftlichen
Rümlingen (29. und 30. August). Ebenfalls ist der
Schweizer Tonkünstlerverein ist mit seinem Fest
bei den ZeitRäumen zu Gast und so ist auch viel
heimische Musik zu hören. Als Vorlauf gestartet
ist bereits das Vorprogramm ”Geben Sie Zeit Räu-
me”.
Thomas Meyer
zeitraeumebasel.com/de/das-festival
der Garage auf die grossen Bühnen der Welt ziem-
lich Furore gemacht.
Das gilt fast noch mehr für den Pianisten
Robert
Glasper,
der ohne mit der Wimper zu zucken
Gospel und Hip-Hop, Jazz und Pop mit etlicher
Elektronik zu sogenanntem ”Neo Soul” verwirbelt.
Was Glasper von ähnlichen Experimentatoren un-
terscheidet: Hier brodelt und kocht die scharfe
Hexenbrühe, als würde Miles Davis den drei auch
nicht mehr ganz jungen Jungs mächtig Feuer un-
term Hintern machen.
Der 55-jährige französische Pianist
Jean-Michel
Pilc,
der mit seinem Trio die Jazz Nights am
Dienstag miteröffnet, wird in Europa zu Unrecht
erst seit wenigen Jahren gebührend zur Kenntnis
genommen. Und das, obwohl er bereits vor seiner
Übersiedlung nach New York vor zwanzig Jahren
in Paris mit so prominenten Musikern wie Da-
niel Humair, Michal Portal oder Aldo Romano ge-
spielt hat. In New York gehört er mittlerweile zu
den gefragten Begleitpianisten von Musikern wie
Michael Brecker, Chris Potter oder John Aber-
crombie.
Und schliesslich
Tineke Postma,
die 37-jährige
holländische Alt- und Sopransaxophonistin, die
abwechslungsweise in Amsterdam und New York
lebt; auch sie war mit ihrem ”holländischen”
Quartett in der Schweiz noch nicht oft zu hören;
weitaus prominenter war vor einigen Jahren ihr
”internationales” Quartett mit der Pianistin Geri
Allen, dem Bassisten Scott Colley und der Schlag-
zeugerin Terri Lyne Carrington. Zu entdecken ist
Postma in Langnau am Donnerstagabend.
Christian Rentsch
Infos unter
Wer wenig Lust hat, an den grossen Som-
merfestivals auf die paar wenigen Jazzrosi-
nen zwischen Rock und Pop, Hip und Hop,
Alphorn und Plattenteller zu warten, der
liegt in Langnau völlig richtig: Das fünftä-
gige Festival bringt Jazz, Jazz und nichts
als Jazz.
Dave Holland
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10 12,13,14,15,16,17,18,19,20,21,...24
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